Spermidin-reiche Ernährung hält
den Menschen länger jung
Hintergrund
Der Wunsch, alt zu werden und dabei jung zu bleiben, ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Früher träumten die Menschen vom mythischen Jungbrunnen, während Forscher heute daran arbeiten, die verschiedenen Aspekte des Alterungsprozesses wissenschaftlich zu ergründen. Große Aufmerksamkeit erregt derzeit die Forschung zu Spermidin und dessen Wirkung auf das Altern. Dieser natürliche Zellstoff könnte das Ziel, ein gesundes und langes Leben zu ermöglichen, in greifbare Nähe rücken. Erstmals in den 1870er Jahren entdeckt, erhielt Spermidin seinen Namen, weil es in Samenflüssigkeit nachgewiesen wurde. Heute weiß man, dass der Vitalstoff nicht nur in männlichen Organismen vorkommt, sondern in allen Körperzellen zu finden ist. Auch pflanzliche Lebensmittel enthalten Spermidin.
Zielsetzung
Spermidin spielt eine zentrale Rolle bei der Autophagie, einem natürlichen Prozess, der für die „Selbstreinigung“ der Zellen verantwortlich ist. Dabei werden beschädigte oder unnötige Zellbestandteile abgebaut und wiederverwertet. Mit zunehmendem Alter sinkt jedoch die Spermidin-Konzentration und damit die Fähigkeit der Zellen zur Selbstreinigung. Dieses Ungleichgewicht kann zu Ablagerungen führen, die wiederum das Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen. Studien an Tieren haben gezeigt, dass eine erhöhte Spermidin-Zufuhr mit einer längeren Lebensspanne und einer Verringerung altersbedingter Sterblichkeit in Verbindung steht. Eine aktuelle, viel beachtete Studie von Kiechl und Kolleg untersucht, ob auch beim Menschen ein Zusammenhang zwischen der Spermidin-Aufnahme über die Nahrung und der Sterblichkeit besteht – und liefert spannende Ergebnisse.
Methode
Ein internationales Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck führte eine Langzeitstudie in der Südtiroler Gemeinde Bruneck durch. Diese Region ist besonders geeignet für solche Untersuchungen, da die Mobilität der Bevölkerung gering ist und viele Einwohner einen aktiven und gesunden Lebensstil pflegen. Über 20 Jahre hinweg wurden 829 Personen im Alter von 45 bis 84 Jahren systematisch auf altersbedingte Erkrankungen untersucht. Alle fünf Jahre führten die Wissenschaftler umfassende Untersuchungen durch, darunter auch die Erhebung der Nahrungsaufnahme mithilfe eines speziell entwickelten Ernährungsfragebogens. Dies ermöglichte Rückschlüsse auf die Spermidin-Menge, die die Teilnehmenden natürlicherweise zu sich nahmen.
Spermidin-Quellen und seine mögliche Wirkung
In welchen Lebensmitteln ist Spermidin besonders reichlich vorhanden? Neben der körpereigenen Produktion wird Spermidin auch von bestimmten Bakterien in unserer Darmflora hergestellt.
Etwa ein Drittel des Spermidins stammt aus der Eigenproduktion, während der Rest über die Nahrung aufgenommen wird. Zu den spermidinreichen Lebensmitteln gehören Pilze, Blumenkohl, Brokkoli, Hülsenfrüchte, bestimmte Käsesorten, Vollkornprodukte und Weizenkeime, wobei Sojabohnenprodukte besonders hohe Mengen aufweisen. Die Spermidin-Mengen in natürlichen Quellen können jedoch stark variieren.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie liefern interessante Einblicke: Frauen wiesen tendenziell höhere Spermidingehalte in ihrer Ernährung auf als Männer, wobei die Werte mit zunehmendem Alter sanken. Zu den wichtigsten Spermidin-Quellen der Teilnehmenden zählten Vollkornprodukte, Äpfel, Birnen, Salate, Gemüsesprossen und Kartoffeln. Die Proband wurden basierend auf ihrer Spermidin-Aufnahme in drei Gruppen eingeteilt: niedrige (unter 9 mg), mittlere (9-11,6 mg) und hohe (über 11,6 mg) Spermidin-Aufnahme. Die Analyse zeigte, dass Personen mit einer spermidinreichen Ernährung eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate aufwiesen. Konkret: Je höher die tägliche Spermidin-Aufnahme, desto niedriger das Sterblichkeitsrisiko. Personen in der Gruppe mit der höchsten Spermidin-Aufnahme lebten im Durchschnitt 5,7 Jahre länger als jene in der Gruppe mit der geringsten Aufnahme.
Diskussion und Schlussfolgerung
Ein Umzug nach Bruneck ist nicht nötig, um von diesen Erkenntnissen zu profitieren. Die Ergebnisse sind übertragbar und zeigen, dass eine spermidinreiche Ernährung möglicherweise zu einem längeren und gesünderen Leben beiträgt. Diese Studie liefert den ersten Nachweis für einen Zusammenhang zwischen einer spermidinreichen Ernährung und einer verlängerten Lebensdauer beim Menschen. Die epidemiologischen Daten stehen im Einklang mit tierexperimentellen Studien, die ähnliche Effekte nachweisen konnten. Um diese Resultate zu bestätigen, sind jedoch noch weitere Interventionsstudien erforderlich, von denen einige bereits laufen. Wir dürfen gespannt sein auf zukünftige Ergebnisse!
Die Studie erschien online im Juli 2018 im wissenschaftlichen Journal American Journal of Clinical Nutrition (AJCN).
Quellen: Kiechl, S., Pechlaner, R., Willeit, P., et al. (2018). Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study.
The American journal of clinical nutrition, 108(2), 371–380. https://doi.org/10.1093/ajcn/nqy102